Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen – Teil 2

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sprechender Dämon Gottliebin DittusSchon wollte ich gute Hoffnungen fassen, als ich vernahm, man höre wieder ein Klöpfeln wie mit Fingern um die Gottliebin Dittus her; und dann bekomme sie plötzlich einen Schlag auf die Brust und sinke zurück, auch sehe sie dieselbe weibliche Gestalt, die sie in ihrem eigenen Logis gesehen hatte. Ihren Aussagen nach war das eine (keinerlei Verwandte, außer zwei, nun auch verstorbenen Schwestern, zurücklassend) zwei Jahre vorher verstorbene Witwe, die auf ihrem Totenbette heftige Gewissensbisse bekommen, schwere Sünden mir bekannt und nur wenig Ruhe, vor dem Tode gefunden hatte. Als ich mit meinen gewöhnlichen Begleitern (denn ohne bestimmte Augen- und Ohrenzeugen wollte ich niemals dort sein) hinkam, hörte ich wirklich bald die unheimlichen Töne. Sie selbst lag im Bett, war bei sich und fühlte keine Beschwerden. Plötzlich war’s, als führe es in sie, und ihr ganzer Leib geriet in Bewegung. Ich sprach sodann einige Worte als Gebet und erwähnte dabei des Namens Jesu. Sogleich rollte sie die Augen, schlug die Hände auseinander, und eine Stimme ließ sich hören, die man augenblicklich für eine fremde erkennen musste, nicht sowohl wegen des Klanges, als wegen des Ausdrucks und der Haltung der Rede: Es rief: „Den Namen kann ich nicht hören!“ Alle schauderten zusammen. Ich hatte noch nie etwas der Art gehört und wandte mich in der Stille zu Gott, er möge mir Weisheit und Vorsicht schenken und namentlich vor unzeitiger Neugier mich bewahren.

Jesus vergibt SündeEndlich wagte ich etliche Fragen, mit dem bestimmten Vorsatz, mich nur auf das Notwendigste zu beschränken, und auf meine Empfindung zu merken, wenn es etwa zuviel wäre, zunächst mit Bezug auf jenes Weib, etwa so: „Hast du denn keine Ruhe im Grab?“ – „Nein.“ – „Warum nicht?“ – „Das ist meiner Taten Lohn.“ – „Hast du denn“, fuhr ich fort, nur still voraussetzend, dass es jene Person sei, „mir nicht alle Sünden gestanden?“ – „Nein, ich habe zwei Kinder gemordet und im Acker begraben.“ – „Weißt du denn jetzt keine Hilfe mehr? Kannst du nicht beten?“ – „Beten kann ich nicht.“ – „Kennst du denn Jesum nicht, der Sünden vergibt?“ – „Den Namen kann ich nicht hören.“ – „Bist du allein?“ – „Nein!“ – „Wer ist denn bei dir?“ Die Stimme antwortete zögernd, zuletzt rasch herausfahrend: „Der Allerärgste.“ So ging das Gespräch noch eine Weile fort, und die Redende klagte sich auch der Zauberei an, um deren willen sie des Teufels Gebundene sei. Schon siebenmal, sagte sie, sei sie ausgefahren, jetzt gehe sie nicht mehr. Ich fragte sie, ob ich für sie beten dürfe, was sie erst nach einigem Bedenken gestattete, und gab ihr endlich zu verstehen, dass sie im Leibe der G. nicht bleiben könne und dürfe. Sie schien wehmütig zu flehen, dann wieder trotzig zu werden; ich aber gebot ihr mit ernster Stimme, auszufahren, jedoch nicht im Namen Jesu, was ich lange nicht wagte, worauf sich schnell die Szene änderte, indem Gottliebin Dittus die Hände stark aufs Bett niederschlug, womit die Besitzung vorüber zu sein schien.

Sieg über die Hölle und DämonenEtliche Tage später wiederholte sich die scheinbare Besitzung, wiewohl ich mich jetzt in kein Gespräch mehr einließ. Bald war es, als führen auf die bezeichnete Weise 3, dann 7, endlich 14 Dämonen aus, wobei jedes Mal das Gesicht der Person sich veränderte und eine neue drohende Miene gegen mich annahm. Auch mancherlei Drohworte wurden gegen mich ausgesprochen, die ich nicht beachtete; und die Anwesenden, selbst der Schultheiß, bekamen manche Stöße und Faustschläge, die aber nie gegen mich gewagt wurden, indem die Dämonen ausdrücklich bemerkten, dass sie mir als dem Pfarrer nichts tun dürften, so gerne sie wollten. Hie und da raufte sie sich die Haare, zerschlug sich die Brust, warf den Kopf an die Wand und suchte auf allerlei Weise sich zu verletzen. Jedoch mit einfachen Worten konnte ich jeder Bewegung gebieten, bis sie zuletzt ruhig blieb, worauf auch dem Befehl des Ausfahrens Folge geleistet wurde.

Dämonen im TotenreichIndessen war es, als ob die Szenen sich immer schrecklicher machten, und als ob mein Einwirken die Sache nur verschlimmerte. Was ich im Geist und Gemüt damals ausgestanden habe, lässt sich mit keinen Worten beschreiben. Mein Drang, der Sache ein Ende zu machen, wurde immer größer, und obwohl ich jedes Mal befriedigt scheiden konnte, sofern ich fühlte, dass die dämonische Macht sich fügen müsse, und sofern die Person jedes Mal vollkommen recht war, so schien die finstere Macht sich doch immer wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein großes Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben. Alle Freunde rieten mir, zurückzutreten. Aber ich musste mit Schrecken daran denken, was aus der Person werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge, und wie sehr ich vor jedermann, wenn es übel ginge, als der Ursächer dastehen müsste. Ich fühlte mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr für mich und andere unmöglich durch bloßes Abtreten herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich vor mir selbst und meinem Heilande , zu dem ich so viel betete, und dem ich so viel vertraute, und der mir drunter hinein so viel Beweise seiner Hilfe gab – ich gestehe es offen -, dem Teufel nachzugeben. Wer ist der Herr, musste ich mich oft fragen, und mit Vertrauen auf den, der Herr ist, hieß es in mir immer wieder: Vorwärts! Es muss zu einem guten Ziele führen, wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht, es sei denn, dass es nicht wahr wäre, dass Jesus der Schlange den Kopf zertreten habe.

Dämonenaustreibung bei Gottliebin DittusNach jenen 14 Dämonen steigerte sich die Zahl schnell zu 175, dann zu 425. Eine nähere Beschreibung von den einzelnen Auftritten kann ich nicht mehr geben, da alles zu schnell und zu mannigfaltig aufeinander folgte, als dass ich Einzelheiten sicher im Gedächtnis behalten konnte. Nach dem letzten dieser Kämpfe trat auf etliche Tage Ruhe ein. Doch drängten sich des Nachts viele Gestalten um das Bett der Person, nach ihrer Aussage; und auch ihre Wärterin wollte um jene Zeit etliche Gestalten erblickt haben. Auch geschah es, dass sie sich in einer Nacht im Schlafe plötzlich von einer brennenden Hand am Hals gefasst fühlte, welche alsbald große Brandwunden zurückließ. Bis die Wärterin (ihre Tante), die im gleichen Zimmer schlief, das Licht anzündete, waren bereits gefüllte Blasen um den ganzen Hals her aufgefahren; und der Arzt, der am folgenden Morgen kam, konnte sich nicht genug darüber verwundern. Der Hals wurde erst nach mehreren Wochen wieder heil. Auch sonst bekam sie bei Tag und bei Nacht Stöße an die Seite oder auf den Kopf, oder fasste es sie an den Füßen, dass sie plötzlich, entweder auf der Straße, oder auf der Treppe, oder wo es war, niederstürzte, wovon sie Beulen und andere Schäden davontrug. Die schwerste Nacht hatte ich vor dem 25. Juli 1842. Ich kämpfte von abends 8 Uhr bis morgens 4 Uhr, ohne befriedigt fertig zu sein, wie sonst noch nie. Ich musste sie verlassen, weil ich eine Fahrt zum Kinderfest nach Korntal bestellt hatte.

Als ich spät abends wieder zurückkam, hieß es, sie sei in völligem Delirium und nun als fast ganz wahnsinnig zu betrachten. Wer sie sah, jammerte; sie zerschlug sich die Brust, raufte sich die Haare aus, krümmte sich wie ein Wurm und schien eine völlig verlorene Person zu sein. Ich besuchte sie erst am folgenden Tag, morgens 8 Uhr, nachdem ich in der Reihe meiner täglichen Bibellektionen die merkwürdigen Worte im Buch Jesus Sirach (Kap. 2) nicht ohne Tränen und mit fast gebrochenem Herzen gelesen hatte: „Mein Kind, Willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung. Halte fest und leide dich und wanke nicht, wenn man dich davon locket. Halte dich an Gott und weiche nicht, auf dass du immer stärker werdest. Alles, was dir widerfährt, das leide, und sei geduldig in aller Trübsal. Denn gleich wie das Gold durchs Feuer, also werden die, so Gott gefallen, durchs Feuer der Trübsal bewähret. Vertraue Gott, so wird er dir aushelfen; richte deine Wege, und hoffe auf Ihn. Die, so ihr den Henn fürchtet, hoffet das Beste von Ihm, so wird euch Gnade und Trost allezeit widerfahren. Die, so ihr den Herrn fürchtet, harret seiner Gnade, und weichet nicht, auf dass ihr nicht zu Grunde gehet.“ Mit diesen Worten gestärkt, kam ich zur Leidenden. Bis gegen 11 Uhr schien wieder alles gut zu stehen. Allein des Nachmittags musste ich wiederkehren; und jetzt ging es fort bis Trost Jesu abends 7 Uhr, jedoch so, dass auf einmal das Ausfahren der Dämonen durch den Mund anfing. Eine Viertelstunde lag sie wie tot da. Ich hatte alle Glaubenskraft zusammenzuraffen, bis sie wieder atmete, während ich von der Straße herauf die Leute einander zurufen hörte: „Jetzt ist sie gestorben!“ Nach manchen heftigen Zuckungen des Oberleibs öffnete sie jetzt weit den Mund, und es war, als spucke sie; einen Dämon um den andern heraus. Es ging immer partienweise, je 14 oder je 28, oder je 12, und so schien es bis in die Tausende zu gehen, ohne ein Wort von meiner Seite, auch ohne dass ein Wort von den Dämonen gesprochen worden wäre, außer dass diese, wenn wieder eine neue Partei kam, zornige Blicke umher warfen. Endlich hörte es auf; und jetzt schien eine bedeutende Epoche gekommen zu sein. Mehrere Wochen kam so gut wie nichts vor; und G. konnte wandeln, wo sie hin wollte. Ich freute mich in dieser Zeit. Aber nie geahnt hätte ich, was nun weiter erfolgte.

Nach einer Ruhezeit kam die Kranke blass und entstellt zu mir, mir etwas zu klagen, was sie bisher aus Schüchternheit vor mir zurückgehalten habe, nun aber nicht länger verschweigen könne. Sie zögerte noch eine Weile, und ich wurde ängstlich gespannt, bis sie endlich anfing zu erzählen, dass sie schon vor 2 Jahren jeden Mittwoch und Freitag von geisterähnlichen Gestalten bis zu schmerzlichen und starken Blutungen gequält worden sei. Gewöhnlich hätte die Plage 3 Stunden lang fortgedauert, und sie habe unerhörte Schmerzen dabei ausgestanden. Dem Arzt habe sie von den Blutungen gesagt; und der habe allerlei ärztliche Mittel angewendet, ohne etwas zur Heilung zustande bringen zu können. Diese Plage habe mit dem Tage aufgehört, da ich zum ersten Male mich ernstlich ihrer angenommen hätte; aber seit den letzten Kampftagen (25. und 26. Juli 1842) habe sie wieder angefangen. An den genannten Tagen müsse sie sich immer mit Schrecken zu Bett legen, und wenn die Plage an sie komme, könne sie nur noch ächzen, außerstande, sich auch nur im Geringsten zu bewegen. Wenn diese Plage nicht aufhöre, so müsse es ihr Tod sein. Es war auch deutlich zu sehen, dass sie damals mit jedem Tage abgezehrter wurde.

HexereiDiese Sache erschreckte mich natürlich sehr; denn dergleichen hatte ich noch nicht gehört, als höchstens in Vampyr -Märchen, die je und je von phantasiereichen Dichtern auf eine schauerlich abenteuerliche Weise erzählt worden sind. Später hörte ich freilich auch von allerlei Sagen, die unter dem Volke im Gange sind, wie namentlich, dass bisweilen Kinder solchen Plagen ausgesetzt seien, die man den sog. bösen Leuten, d. h. Hexen, zuschreibt. Vor der Hand brauchte ich ordentlich Zeit dazu, mich zu sammeln und zu der traurigen Überzeugung zu kommen, dass die Finsternis so viel Macht über die Menschen solle bekommen haben. Mein nächster Gedanke war: „Jetzt bist du fertig, jetzt geht’s in die Zauberei und Hexerei hinein; und was willst du gegen diese machen?“ Wenn ich aber das jammernde Mädchen ansah, so schauerte mich’s vor der Möglichkeit der Existenz jener Finsternis und vor der Unmöglichkeit der Hilfe. Es fiel mir ein, dass es Leute gebe, denen man geheimnisvolle Künste zur Abwehr von allerlei dämonischen Übeln zuschrieb, und sympathetische Mittel, welchen immer Hohe und Niedere huldigen. Sollte ich etwa nach dergleichen Dingen mich umsehen? Das hieße, wie ich längst überzeugt war, Teufel mit Teufel vertreiben. Ich erinnerte mich alsobald an die Warnung, die ich schon einmal bekommen hatte, da ich damit umging, etwa den Namen Jesu an die Türe der Wohnung der Kranken zu heften oder sonst so etwas zu versuchen, weil eben ein guter Rat oft schwer zu finden war. Unter solchen Gedanken las ich morgens die Losung der Brüdergemeinde jenes Tages, welche lautete: „Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleisch vollenden?“ Gal. 3, 3. Ich verstand den Wink, und Gott sei gepriesen, der mich geleitet hat, stets bei den lauteren Waffen des Gebets und Wortes Gottes zu bleiben! Soll, durchfuhr es mich, gläubiges Gebet nicht auch wider obige Satansmacht, worin sie nun bestehen möge, etwas auszurichten vermögen? Was sollen denn wir arme Menschlein machen, wenn hier nicht direkte Hilfe von oben zu erflehen ist? Ist Satan hier im Spiel, ist’s recht, es dabei zu belassen? Und kann das nicht durch den Glauben an den wahrhaftigen Gott niedergetreten werden? Wenn Jesus gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören, soll solches nicht hier vornehmlich festgehalten werden? Gibt’s eine Zauberei und Hexerei, ist’s nicht Sünde, sie unangetastet ihr Spiel treiben zu lassen, wenn eine Gelegenheit sich zeigt, ihr mit Ernst die Spitze zu bieten?

Gebet für Gottliebin DittusMit solcherlei Gedanken arbeitete ich mich in den Glauben an die Kraft des Gebets auch in dieser Sache, bei welcher kein anderer Rat sonst übrig war, hinein, und ich rief der Kranken zu: „Wir beten, sei’s was es wolle, wir probieren’s, wir verspielen wenigstens nichts mit dem Gebet; und auf Gebet und Gebetserhörung weist uns die Schrift fast auf jeder Seite; der Herr wird tun, was Er verheißt!“ So entließ ich sie mit der Versicherung, ihrer gedenken zu wollen, und mit der Weisung, mir wieder Bericht zu bringen. Der gefürchtete Freitag war schon der folgende Tag. Es war der Tag, nach welchem nach mehrmonatiger Dürre gegen Abend das erste Gewitter am Himmel erschien, für mich ein unvergesslicher Tag. Während die Kranke abends 6 Uhr unter der Haustüre ihres Vetters hinging, überfielen sie, wie sie erzählte, die Gestalten, und starke Blutungen begannen. Sich umzukleiden, eilte sie in ihre eigene Wohnung; und während sie auf dem Stuhle dort saß, war es ihr, als müsste sie unaufhörlich etwas einschlucken, das sie nach einigen Augenblicken ganz außer sich brachte. Sie fuhr rasend durch beide Stuben und begehrte hitzig ein Messer, welches ihr aber die erschrockenen Geschwister nicht in die Hände kommen ließen. Dann eilte sie auf die Bühne , sprang auf das Gesimse des Fensterladens herauf und stand bereits außer dem Laden in freier Luft, nur noch mit einer Hand nach innen sich haltend; als der erste Blitzstrahl des nahenden Gewitters ihr ins Auge fiel, sie aufschreckte und weckte. Sie kam zur Besinnung und rief: „Um Gottes willen, das will ich nicht!“ Der lichte Augenblick verschwand; und im wiederkehrenden Delirium erfasste sie einen Strick (woher? ist ihr heute noch unerklärlich) und band ihn künstlich um das Gebälke der Bühne mit einer Schlaufe, die sich leicht zusammenzog.

Kerze in der HandSchon hatte sie den Kopf beinahe ganz in die Schlaufe hineingezwängt, als ein zweiter Blitzstrahl durch das Fenster ihr Auge traf, der sie, wie vorhin, wieder zur Besinnung brachte. Ein Tränenstrom floss ihr am folgenden Morgen von den Augen, als sie den Strick am Balken erblickte, den sie bei der besten Besinnung so künstlich umzubinden nicht imstande gewesen wäre. Sie blieb nun ein wenig wach und kroch, von den fortgesetzten Blutungen äußerst erschöpft, den kurzen Weg zu ihres Vetters Haus. Dass sie die Treppen hinaufkam bis zur Bühnenkammer, da sie damals schlief, war alles, was sie vermochte, und bewusstlos sank sie aufs Bett. Jetzt wurde ich gerufen, da schon das Gewitter ausgebrochen war, gegen 8 Uhr abends. Ich fand sie ganz im Blute schwimmend, das überall durch die Kleider am Oberleibe sich drängte. Die ersten Trostworte, die ich zurief, hatten die Folge, dass sie ein wenig erwachte und ausrief: „O, die Gestalten!“ – „Siehst du sie denn?“ fragte ich; die Antwort war ein jammerndes Stöhnen. Da hob ich mit Ernst an zu beten, während draußen der Donner rollte. Was ich sprach, weiß ich nicht mehr. Doch wirkte es nach einer Viertelstunde so entscheidend, dass sie ausrief: „Jetzt sind sie weg!“ Bald kam sie ganz zu sich; und ich entfernte mich auf etliche Augenblicke, bis sie ganz umgekleidet war. Es war unter uns nur ein Loben und Danken, als wir sie wieder so völlig verändert, auf dem Bette sitzend, antrafen. Von jenem Tage an hörte obige Plage auf; und nur etliche Male noch sah sie Gestalten vor sich, als wollten sie auf sie eindringen, jedoch ohne dass etwas Weiteres geschah, bis auch das aufhörte. Mochte nun an der Sache sein, was es wollte, geholfen war’s.

HölleIndessen war die Arbeit jener Nacht noch lange nicht vorüber. Während wir noch umherstanden, auch Lobgesänge sangen, sank die Kranke rückwärts, wie sonst, wenn Dämonisches sie überfiel. Es kamen zornige Drohworte, bei denen ich aber leicht Stille gebieten konnte. Dann kehrte die Besinnung scheinbar zurück. „Sie können jetzt gehen!“ sagte sie. – „Kann ich aber ruhig sein?“ entgegnete ich. – „Warum denn nicht?“ fuhr sie fort; „Sie trauen einem auch gar nicht.“ – „So?“ sagte ich; „nein, ich traue Dir nicht“, worauf ich Hut und Stock wieder beiseite legte. Noch sprach ich ein kurzes Gebet, als es hohnlachend ausbrach und sagte: „Du hast recht getan, dass Du nicht gegangen bist; du hättest’s verspielt und alles verloren.“ Ich achtete nicht sehr auf das Gesprochene und sprach und handelte auf die gewöhnliche Weise. Plötzlich brach mit ganzer Stärke der Zorn und Umnut der Dämonen los, und es wurde eine Menge Äußerungen folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender Stimme: „Jetzt ist alles verspielt! Jetzt ist alles verraten! Du verstörst uns ganz! Der ganze Bund geht auseinander! Alles ist aus! Alles kommt in Verwirrung! Du bist schuld daran mit Deinem ewigen Beten! Du vertreibst, uns doch noch! Wehe! Wehe! Alles ist verspielt! Unser sind 1067, und derer, die noch leben, sind auch viele!“ – Von denen, die noch leben, hieß es: „Aber die sollte man warnen! O, wehe ihnen! Wehe! Sie sind verloren!“ Ich sagte hier dazwischen hinein: „Die noch leben, können sich noch bekehren; Gott vermag sie wohl noch zu retten! Denket ihr nur an euch!“ – Da erhielt ich mit starker Stimme die Antwort: „Sie haben mit Blut verschrieben!“ – „Wem denn?“ – „Dem Teufel, dem Teufel!“ – Von solchen Blutverschreibungen war später oft die Rede, besonders mit dem Beisatze: „Gott verschworen, ewig verloren“, als ob solche Verschworene keiner Bekehrung und Rettung mehr fähig wären. Doch schienen sie das mehr nur von sich, den Verstorbenen, zu sagen. Im gegenwärtigen Augenblicke zeigte sich bei den Dämonen nur Verzweiflung, weil der Weg in den Abgrund ihnen gewiss schien. Das Gebrüll der Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete von meiner Seite, auf welche die Dämonen nach oben beschriebener Weise ausfuhren, – das alles bildete eine Szene, die sich kaum wird jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende Weise vorstellen können.

Nach einigen Stunden jedoch wurde alles ruhig; und ich schied freudiger als je von der Kranken. Bereits konnte ich mich genügend überzeugen, dass der Kampf, in dem ich stand, ein ganz eigentümlicher war, über dessen Bedeutung mir schon jetzt einiges Licht aufging, die mir aber erst im Weiteren ganz klar wurde. Wenn übrigens die Dämonen unter anderem äußerten: „Niemand in der Welt hätte uns vertrieben; nur Du mit Deinem ewigen Beten und Anhalten setzest es durch“, so war mir das nicht so ganz unerklärlich; denn nicht so leicht würde sich einer so hergegeben haben, als ich, und sicherlich die am wenigsten, die, indem ich ehrlich genug bin, auch solche Äußerungen niederzuschreiben, mich einer hochmütigen Selbsterhebung zeihen wollen.

Fasten und betenDas zuletzt Erzählte fiel im August 1842 vor. Es zeigte sich schon in den nächsten Tagen, dass bei der Kranken keineswegs alles entfernt war. Die Zeit wollte mir freilich jetzt lange werden, besonders, da ich durch manche andere Arbeiten, zu denen ich mich neben meinem Amte verpflichtet hatte, oft in das äußerste Gedränge kam. Ein teurer Freund in meinem Nachbarlande, dem ich in jener Zeit Gelegenheit und Mut hatte, meine schwere Lage zu schildern, wies mich endlich auf das Wort des Herr hin: „Diese Art fähret nicht aus, denn durch Beten und Fasten “, und durch weiteres Nachdenken kam ich darauf, dem Fasten mehr Bedeutung zu geben, als man ihm gewöhnlich gibt. Sofern dasselbe ein tatsächlicher Beweis vor Gott ist, dass der Gegenstand des Gebets dem Beter ein wahres und dringliches Anliegen sei, und sofern es die Intention und Kraft des Gebets in hohem Grade verstärkt, ja ein fortgesetztes Gebet auch ohne Worte repräsentiert, konnte ich glauben; dass es ohne Wirkung sein werde, besonders da für den Fall, in dem ich stand, ein besonderes Wort des Henn vorlag. Ich versuchte es, ohne jemandem etwas davon zu sagen, und muss bekennen, dass die nachfolgenden Kämpfe mir außerordentlich dadurch erleichtert wurden. Besonders gewann ich das damit, dass ich viel ruhiger, bestimmter und fester reden konnte, auch nicht mehr nötig hatte, so lange Zeit zu verweilen. Ich fühlte, dass ich, ohne da zu sein, wesentlich einwirken konnte, und wenn ich kam, gewahrte ich oft in wenigen Augenblicken bedeutende Resultate.

Dämonische HandDies war namentlich bald nach dem Vorfall im August der Fall, da die Kranke bestimmter einen Dämon der bösesten Art in sich fühlte. Sie lag oft wie tot da, indem ihr der Atem von innen aufgehalten wurde. Sie wurde auf allerlei Weise innerlich gestochen und gedrückt, bisweilen auch äußerlich so gelähmt, dass sie kaum ein Glied aus eigenem Vermögen bewegen konnte. Dabei war sie äußerst mürrisch und widerwärtig, und besonders widrig wurden ihr Besuche von mir. Das Ärgste aber war, dass abermals von innen heraus wie mit einem stechenden Instrument Blut gegen die äußere Haut getrieben wurde und so die Blutungen von neuem begannen, wiewohl die Ursache jetzt eine andere als früher zu sein schien. Ich fastete, fand aber gerade an jenem Tage die Umstände am schlimmsten. Doch wurde durch das Gebet das Bluten alsbald gestillt. Aber der Dämon sprach aus ihr so trotzig, höhnisch und gotteslästerlich, dass ich mich ganz stille hielt und, der stillen Kraft des Gebets vertrauend, zum Fortgehen mich anschickte. Jetzt wollte mich’s wieder aufhalten, aber sichtbar so, dass es mich wie zum besten hatte. Ich ging daher; und was auch nach her tobte und wütete, ja, obwohl man mich wieder rufen wollte, in der Besorgnis, das Leben der Kranken stehe auf dem Spiel, so ließ ich mich nicht mehr zum Besuche bewegen. Wirklich brach auch in der nächsten Nacht die Gewalt des Dämons; und am dritten Tage wich er fast ohne ein Wort von meiner Seite, freilich so, dass der Hals innen ganz verbrannt wurde, was ihr längere Zeit viel Beschwerden und Schmerzen verursachte.

Pfarrer und DämonEine zusammenhängende Geschichte bis zum Februar 1843 kann ich nicht mehr geben. Ich erinnere mich nur, dass ich unaufhörlich Mühe und Not hatte, obwohl beständig von der Hoffnung aufrecht erhalten, es werde endlich das Ende kommen. Ich, füge daher hier einige allgemeine Bemerkungen ein, die ich mit unerschrockener Offenheit gebe, wiewohl allerlei Rücksichten mir behutsam zu sein raten wollen. Es stellte sich nämlich mehr und mehr heraus, dass eine große Veränderung mit den zum Vorschein kommenden Geistern vorgegangen war. Ihrer viele, die bisher öfters wiedergekehrt waren, kamen nicht wieder; und die Person sah mich von diesen in der Kirche, während ich auf der Kanzel stand, auf eine grässliche Weise umschwärmt, als wollten sie alles versuchen, mir Schaden zuzufügen. Dass ich ganz ohne Empfindung geblieben sei, auch in der Zeit, da ich noch nichts davon wusste, da es mir die G. aus Schonung lange Zeit verschwieg, kann ich gerade nicht sagen; aber doch war die etwaige Einwirkung auch nicht so, dass ich ihre Aussagen dadurch bestätigt fand. Namentlich fühlte ich mich in den Predigten eher gestärkt als geschwächt. Ich lasse es also dahingestellt sein. Bei andern Geistern, die fortan sich zu erkennen gaben, schien es in der Schwebe zu sein, was weiter aus ihnen werden sollte.

protestierender DämonMerkwürdig war es, dass Gottliebin Dittus von Anfang an entweder im Schlafe, oder wenn sie nicht bei ihren gewöhnlichen Sinnen war, beständig in der Gesellschaft dieser Geister sich befand, von denen sie viele kannte, während sie von dem, was zwischen mir und den Geistern aus ihr vorfiel, nichts wusste. Sie sah ferner die ausgefahrenen Geister jedes Mal noch eine Weile in der Stube, und namentlich der letzterwähnte, der als Haupt vieler erschien und stets mit einem ungeheuren Buche, in das er die ihm Untergegebenen eingetragen haben soll, vorgestellt war, wurde mit einer seltsam verbrämten, kostbaren, auf uralte Zeit hinzielenden Kleidung nach ihrer Aussage von ihr wahrgenommen. Die Dämonen selbst erschienen der G. rücksichtlich ihrer Gesinnung sehr verschieden. Die einen fand sie immer voll Wut und Ingrimm, namentlich in Beratschlagungen begriffen, wie sie in dem durch das Wort Gottes gegen sie gemachten Angriff sich helfen wollten; die andern schienen von diesen mit Gewalt festgehalten. Dieser Unterschied stellte sich auch bei denen heraus, die aus ihr sprachen. Die einen waren trotzig, voll Hass gegen mich, und sprachen oft Worte aus, die wert gewesen waren, aufgehalten zu werden. Sie hatten ein Grauen vor dem Abgrund, dem sie jetzt sich nahe fühlten, und sagten unter anderem: „Du bist unser ärgster Feind, wir sind aber auch Deine Feinde. Dürften wir nur, wie wir wollen!“ Und dann wieder: „O, wenn doch nur kein Gott im Himmel wäre!“ Daneben schrieben sie doch alle Schuld ihres Verderbens sich selber zu. Schauerlich war das Benehmen eines Dämons, der früher im Hause der G. von dieser gesehen worden war und jetzt als Meineidiger sich zu erkennen gab. Er rief zu wiederholten Malen die Worte aus, die an einem Fensterladen jenes Hauses gemalt stehen:

„O Mensch, bedenk‘ die Ewigkeit,
Versäume nicht die Gnadenzeit, –
Denn das Gericht ist nicht mehr weit!“

HammerpredigtDann verstummte er, verzog das Gesicht, hob starr drei Finger in die Höhe, schauerte plötzlich zusammen und stöhnte: „Hm!“ Dergleichen Szenen, welchen ich gerne mehr Zuschauer gegönnt hätte, kamen viele vor. Die meisten Dämonen indessen, die sich vom August 1842 bis Februar 1843 und später kundgaben, gehörten zu solchen, die mit heißester Begierde nach Befreiung aus den Banden Satans schmachteten. Es kamen dabei auch die verschiedensten Sprachen mit dem sonderbarsten Ausdruck vor, meist dass ich sie mit keinen europäischen Sprachen vergleichen konnte. Aber sicher kam auch Italienisches (dem Klange nach) und Französisches. Sonderbar und mitunter komisch anzuhören waren in einzelnen Fällen die Versuche solcher Dämonen, deutsch zu reden, besonders auch, wenn sie Begriffe, deren deutschen Ausdruck sie nicht zu wissen schienen, umschrieben. Dazwischen hinein ließen sich Worte vernehmen, die ich keiner von beiden Arten Dämonen zuschreiben konnte. Denn sie klangen als aus einer höheren Region stammend. Dahin gehört die über die Maßen häufige Anführung der Worte (Hab. 2, 3. 4.): „Die Weissagung wird ja noch erfüllet werden zu seiner Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht ausbleiben. Ob sie aber verziehet, so harre ihrer, sie wird gewisslich kommen und nicht verziehen. Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens.“

Dämonen sprechen nicht nur deutschDann war’s wieder, als ob dieselbe höhere Stimme sich zu den Dämonen wenden wollte, indem sie eine Stelle, die ich lange nicht finden konnte, bis ich sie in Jeremia 3, 25 erkannte, ausrief. Statt der ersten Person „wir“ wurde die zweite gebraucht, also: „Darauf ihr euch verließet, das ist euch jetzt eitel Schande; und des ihr euch tröstet, des müsset ihr euch jetzt schämen. Denn ihr sündigtet damit wider den Herrn, euren Gott, beide, ihr und eure Väter, von eurer Jugend auf, auch bis auf diesen heutigen Tag, und gehorchtet nicht der Stimme des Herrn, eures Gottes.“ Diese und andere Bibelstellen begriff ich lange nicht, doch lernte ich allem mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung schenken. Bei solchen Äußerungen, die bisweilen am Schlusse eines Kampfes vorkamen, war es mir zumut, als ob mir Stärkung und Trost von oben damit geboten wäre, wie ich denn auch nicht ohne den geführtesten Dank auf die vielen Bewahrungen und Rettungen zurückblicken kann, die ich erfahren durfte. Denn dazwischen hinein kamen immer wieder grauenhafte Szenen vor. Die Kranke wurde unaufhörlich gequält. Namentlich wurde ihr Leib in jener Zeit oft außerordentlich aufgedunsen, und sie erbrach ganze Kübel voll Wasser, was dem Arzt, der je und je dabei war, besonders rätselhaft war, da man gar nicht begreifen konnte, woher das viele Wasser käme. Sie bekam ferner öfters Schläge auf den Kopf, Stöße in die Seite, dazu heftiges Nasenbluten, Bluterbrechen, Not mit dem Stuhlgang und anderes; und bei allem, was mit ihr vorging, schien es eine lebensgefährliche Wendung nehmen zu wollen. Aber durch Gebet und Glauben wurde es unschädlich gemacht oder zurückgedrängt.

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