Die Krankheits- und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus in Möttlingen – Teil 3

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Jammern und klagenNoch teile ich einiges von den nach Befreiung schmachtenden Dämonen aus jener Zeit mit. Ich gab lange Zeit ihren Reden kein Gehör und kam oft in großes Gedränge, wenn ich den schmerzvollen Ausdruck im Gesicht, die flehentlich emporgehobenen Hände und den heftigen Tränenstrom, der aus den Augen floss, sah, und dabei Töne und Seufzer der Angst, Verzweiflung und Bitte hörte, die einen Stein hätten erweichen sollen. So sehr ich daher mich sträubte, auf irgendeine Erlösungsmanier einzugehen, weil ich bei allem, was vorkam, immer zuerst an einen etwaigen gefährlichen und verderblichen Betrug des Teufels dachte und für die Nüchternheit meines evangelischen Glaubens fürchtete, so konnte ich doch zuletzt nicht umhin, eine Probe zu machen, besonders, da gerade diese Dämonen, die einige Hoffnung für sich zu haben schienen, weder durch Drohungen, noch durch Anmahnungen sich zum Weichen bringen ließen. Der erste Dämon, bei welchem ich es, soviel ich mich erinnere, wagte, war jenes Weib, durch welches die ganze Sache angeregt schien. Sie zeigte sich wieder in der Gottliebin Dittus und rief fest und entschieden, sie wollte des Heilands und nicht des Teufels sein.

Dämon in KircheDann sagte sie, wie viel durch die bisherigen Kämpfe in der Geisterwelt verändert worden sei. Mein Glück aber sei das gewesen, dass ich ganz allein beim Worte Gottes und dem Gebet geblieben sei. Wenn ich etwas anderes als das versucht und etwa zu geheimnisvoll wirkenden Mitteln meine Zuflucht genommen hätte, wie sie vielseitig unter den Leuten üblich seien, und auf welche es die Dämonen bei mir angelegt hätten, so wäre ich verloren gewesen. Das sagte sie mit bedeutungsvoll aufgehobenem Finger und mit den Worten schließend: „Das war ein fürchterlicher Kampf, den Sie unternommen haben!“ Dann flehte sie dringend, ich möchte für sie beten, dass sie vollends ganz aus des Teufels Gewalt befreit werde, in die sie fast unwissend durch getriebene Abgötterei, Sympathie und Zauberei gefallen sei, und dass sie irgendwo einen Ruheort erhalte. Ich hatte das Weib im Leben gut gekannt, und sie zeigte damals eine Begierde zum Worte Gottes und nach Trost, wie ich sonst nicht leicht wahrgenommen hatte, wie denn auch kaum eine Woche verging, da sie nicht zwei- bis dreimal in mein Haus kam und mich besuchte. Namentlich hatte sie von mir das Lied: „Ruhe ist das beste Gut“ sehnlich begehrt. Nun wollte mir doch das Herz um sie brechen; und mit innerlichem Aufblick zu dem Herrn fragte ich sie: „Wo willst Du denn hin?“ – „Ich möchte in Ihrem Hause bleiben“, antwortete sie. – Ich erschrak und sagte: „Das kann unmöglich sein.“ – „Darf ich nicht in die Kirche gehen?“ fuhr sie fort. Ich besann mich und sagte: „Wenn Du mir’s versprichst, dass Du niemanden stören und nie Dich sichtbar machen willst, unter der Voraussetzung, dass es Jesus Dir erlaubt, habe ich nichts dagegen.“ Es war ein Wagnis von mir, doch vertraute ich dem Herrn, er werde alles recht machen, da ich mich vor ihm keiner Vermessenheit schuldig fühlte. Sie gab sich zufrieden, nannte noch den äußersten Winkel, dahin sie sich begeben wolle, und fuhr so dann freiwillig und leicht aus nach dem Anschein.

Von alledem wurde der Kranken nichts gesagt; und doch sah sie das Weib zu ihrem großen Schrecken an der bezeichneten Stelle in der Kirche. Außer ihr aber gewahrte niemand etwas davon, und in der Folge hörte die Erscheinung ganz auf, wie überhaupt durch die nachfolgenden Kämpfe sich alles immer wieder veränderte. Auf gleiche Weise suchten auch andere Geister, die durch Abgötterei und Zauberei noch Gebundene des Teufels zu sein vorgaben, während sie sonst Liebe zum Heiland hätten, Befreiung und Sicherheit. Nur mit äußerster Behutsamkeit und angelegentlichen Bitten zu dem Herrn ließ ich mich in das Unabweisbare ein. Mein Hauptwort war immer: „Wenn Jesus es erlaubt!“ – Es zeigte sich auch, dass eine göttliche Leitung darunter waltete. Denn nicht alle erlangten, was sie baten, und manche mussten, auf die freie Barmherzigkeit Gottes sich verlassend, fortgehen. Ich möchte diesen subtilen Punkt nicht weiter ausführen und bemerke nur, dass keinerlei Unruhe vorgekommen ist, während die Kranke stets wieder erleichtert wurde. Solche Geister, denen ein vorübergehender Ruheort gegeben wird, dürfen auch mit den eigentlichen Spukgeistern nicht verwechselt werden. Die letzten erscheinen immer als unter dem Gerichte und unter der Gewalt des Satans, von welcher jene befreit waren. Manche Bemerkungen, die ich nach den gemachten Erfahrungen mitteilen könnte, halte ich umso lieber zurück, da sie nur Anstoß erregen könnten, während sie sonst, als nicht in der Bibel begründet, keine weitere Aufmerksamkeit verdienen.

FegefeuerNur einen sehr interessanten Fall kann ich nicht übergehen. Einer der Geister bat gleichfalls darum, in die Kirche gelassen zu werden. Ich sagte mein gewöhnliches „Wenn es Jesus erlaubt!“ – Nach einer Weile brach er in ein verzweifeltes Weinen aus und rief oder hörte rufen: „Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!“ mit dem Bemerken, es werde ihm nicht gestattet, in die Kirche zu gehen. Ich sagte: „Du siehst, dass der Herr es ist, der Dir den Weg zeigt, und dass es also nicht auf mich ankommt. Geh hin, wo der Herr Dich hingehen heißt!“ – Dann fuhr er fort: „Dürfte ich nicht in Ihr Haus gehen?“ Diese Bitte überraschte mich; und an Frau und Kinder denkend, wollte ich nicht geneigt sein, zu willfahren. Allein ich bedachte mich, ob es nicht eine Versuchung für mich sein soll, zu zeigen, dass ich mir alle Aufopferung gefallen lassen könne, und sagte daher endlich: „Nun denn, wenn Du niemand beunruhigst, und Jesus es Dir erlaubt, so mag es geschehen.“ – Plötzlich hörte ich wieder etwas, wie von höherer Stimme, aus dem Munde der Kranken, das rief: „Nicht unter Dach! Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!“ Der Geist fing wieder nach dem Ansehen an zu weinen und bat, wenigstens in meinen Garten gehen zu dürfen, was ihm jetzt gestattet zu werden schien. Es war, als ob einst durch seine Schuld Waisen um ihr Obdach gekommen wären. – So dauerte es längere Zeit fort; und wem ein Ruheort gegeben war, der kehrte nicht wieder. Viele gaben sich zu erkennen, indem sie förmlich ihren Namen sagten, was namentlich die taten, die seit meiner Amtseinführung hier gestorben waren. Andere nannten den Ort, wo sie her wären, oft Hunderte von Stunden entfernt. Selbst aus Amerika wollen etliche gekommen sein. Ich ließ es dahingestellt sein, wie weit ich alles für Wahrheit zu nehmen hätte, und war froh, ihrer nur loszuwerden. Ich bemerke nur noch, dass durch obiges keineswegs die Lehre von einem Fegfeuer oder die Lehre von einem Gebet für die Verstorbenen bestätigt wurde. Letzteres ist so gefährlich, dass ich jedermann allen Ernstes davor verwarnen möchte, weil die nachteiligsten Einwirkungen vonseiten der unsichtbaren Welt die Folge davon sein können.

Abgötterei BuddhaNoch muss ich hier etwas Zusammenfassendes mitteilen, das zwar auffallen wird, aber keineswegs von mir verschwiegen werden kann. Durch obiges wie durch andere spätere Erscheinungen wurde mir erkennbar, dass unsere Zeit an einem Übel leidet, das allmählich, ohne dass jemand mit Ernst darauf geachtet hätte, wie ein heimlich nagender Wurm fast die ganze, auch evangelische, Christenheit durchfressen hat, nämlich, dass ich so sage, die Sünde der Abgötterei, die stufenweise in die Zauberei und vollkommene Schwarzkunst übergeht, von deren schauerlicher Existenz mir nur allzu gewisse Kunde geworden ist. Unter Abgötterei mag jedes Vertrauen auf eine übernatürliche unsichtbare Kraft verstanden sein, auf welche gestützt ein Mensch entweder Gesundheit oder Ehre oder Gewinn oder Genuss sich zu verschaffen bemüht ist, sofern sie nicht eine rein göttliche ist. Aber auch jeder abergläubische Gebrauch von scheinbar frommen Worten, besonders wenn die höchsten Namen dazu gebraucht werden, ist Abgötterei, weil der lebendige Glaube an Gott, sowie die Hoheit und Majestät Gottes, dadurch in eine Karikatur verwandelt wird. Hierher gehört alle und jede Art von Sympathie, deren Wirksamkeit neuestens von Hohen und Niederen immer entschiedener anerkannt, und die daher fast von jedermann, wenigstens in ihren scheinbar unschuldigeren Sphären, unbedingt angewendet wird, ohne dass man überlegt, welchen Abfall von Gott solche gedankenlose Herabwürdigung des Namens und der Kraft Gottes voraussetzt, und welches eigentlich in solchen Fällen die unsichtbar wirkende Kraft ist und allein nur sein kann. Sowohl hierdurch als durch manches andere, das ich übergehe, hängt sich der Mensch mindestens an eine unmittelbare Naturkraft und kehrt seinen Glauben ans Unsichtbare von Gott ab an eine Art Naturgeist, wodurch er in den Augen des eifrigen Gottes, der seine Ehre keinem andern lässt, wie das Alte Testament redet, nur ein Abgötter wird. Soll eine unmittelbare unsichtbare Kraft helfen, warum will der Mensch nicht durch Gebet an den, der die Kraft selbst ist, sich halten? Noch weniger ist aus dem Gebiet der Abgötterei die sogenannte Transplantation auszuschließen, bei welcher man einen Schmerz oder eine Krankheit durch allerlei Manipulationen mit und ohne Formeln auf Bäume oder Tiere zu übertragen sich bemüht.

Abgötterei ShivaIn die fürchterlichen Folgen aller dieser Abgöttereien lernte ich allmählich einen Blick hineintun. Die nächste Wirkung ist die, dass der Mensch mehr oder weniger an eine finstere satanische Macht gebunden wird, indem irgendein Dämon, durch den Akt der Abgötterei herbeigelockt, Einfluss auf ihn gewinnt. Dieser Einfluss kann physisch sein und namentlich allerlei Nervenleiden, Krämpfe, Gichter und andere Gebrechen zur Folge haben, bei welchen auch die Ärzte wenig Rat wissen, aber auch psychisch, und Melancholie und Schwermut wecken, oder grobe Leidenschaften nähren, wie Wollust, Trunkenheit, Geiz, Neid, Zorn, Rachsucht und dergl., Leidenschaften, die dem Menschen oft zur Last werden, ohne dass er über sie Herr zu werden vermöchte. Was Paulus im Römerbrief von den Folgen der Abgötterei schreibt als einer Verwandlung der Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in allerlei Torheiten, geht auch bei unserer christlichen Abgötterei buchstäblich in Erfüllung, wenn Christen ihr Vertrauen auf sinnlose Sprüchlein, auf geheime Formeln und Zeichen, auf gewisse Tage und Stunden und auf Zettelchen setzen, die sie um sich hängen, wie die Neger ihre Grisgris , oder gar verschlingen, neben andern eigentlichen Gräueln , welche hier auseinanderzusetzen zu weit führen würde. Eine weitere Folge ist die Unempfindlichkeit gegen das Wort der Wahrheit, Gleichgültigkeit gegen die Sünde, Stumpfheit des Geistes für höhere Empfindungen und Gedanken, und Sicherheit in Beziehung auf die Ewigkeit; und umgekehrt, dass in der Trübsal kein Trost im Herzen haften will, namentlich die evangelische Freude bei Anklagen des Gewissens nicht festwurzeln kann. Die traurigste Folge für den Menschen, wenn er obige Abgötterei nicht erkannt und bereut hat, kommt nach dem Tode; und das ist es zunächst, was ich mit Schaudern auf allerlei Weise in meinen Kämpfen bis zur Gewissheit erfahren habe. Das Band, mit dem er an die finstere Macht sich gebunden hat, ist noch nicht gelöst, und der Mensch, der eben glaubte, reif für die Freuden des Himmels zu sein, wird als ein Abgefallener vom Feind festgehalten, und je nachdem er sich verstrickt hat, auch wider seinen Willen zur Qual der Lebenden dem Teufel zu dienen gezwungen. Ich enthalte mich, noch weiter darüber zu reden, da es schwierig und gewagt ist, über solche geheimnisvolle Dinge sich mit einiger Bestimmtheit auszusprechen.

Dämonen Abgrund FeuerseeUnter mancherlei Erfahrungen rückte der 8. Februar 1843 heran. Da lag die Gottliebin Dittus fast den ganzen Tag bewusstlos auf dem Bette, jedoch ohne dass es Besorgnis erregen konnte. Es schien ihr eine Ruhe gegönnt zu sein, die aber mehr als eine Entrückung ihres Geistes in fernere Gegenden anzusehen war. Ich berichte, wie sie nachher erzählte. Es war ihr, als würde sie von jemand mit außerordentlicher Schnelligkeit über Land und Meer, über der Oberfläche schwebend, hingeführt. Sie durchflog viele Länder und Städte, kam über dem Meere an Schiffen vorbei, deren Mannschaft sie deutlich sah und vernehmlich reden hörte, bis sie zu einer Inselwelt kam und von Insel zu Insel hinschwebte, endlich zu einem hohen Berge gelangend, auf dessen Gipfel sie gestellt wurde. Manche Einzelheiten ließen mich auf Westindien raten. Auf dem Gipfel war eine große und weite Öffnung, aus welcher Rauch empor quoll und Feuer aufschlug. Rings um sie her zuckten Blitze, rollten Donner, bebte die Erde, und an den Ufergegenden zu den Füßen des Berges sah sie mit einem Schlage Städte und Dörfer einstürzen und den Staub hoch empor qualmen. Auch auf dem Meere gerieten Schiffe und Fahrzeuge in Unordnung, und ihrer viele sanken ins Meer. Mitten unter dieser Schreckensszene wurden die Dämonen, die sie bisher vornehmlich gequält hatten, vorgeführt; und der ärgste derselben, jener Dämon mit dem großen Buche, war der erste, der mit fürchterlichem Gebrüll und Heulen in die Tiefe gestürzt wurde. Ihm folgten gegen tausend andere nach, die alle vorher auf G. zusprangen, als wollten sie dieselbe mit sich in den Abgrund ziehen. Als alles vorüber war, wurde G. auf dieselbe Weise zurückgebracht, wie sie hergekommen war, und erwachte, ziemlich geschreckt, doch im ganzen Wohl.

Vulkan Erdbeben IndienWas sie hier erzählte, kann ich freilich nicht verbürgen; aber über die Maßen erstaunt und überrascht war ich, als kurze Zeit darauf in den Zeitungen das fürchterliche Erdbeben geschildert wurde, welches eben am 8. Februar in Westindien vorfiel. Die Schilderungen der Brüdergemeine, insbesondere, die ich in einer Missionsstunde vorlas, versetzten G. ganz wieder in das zurück, was sie selbst im Geiste gesehen hatte. Von jener Zeit an sah sie mich auch in der Kirche nicht mehr von Geistern umschwärmt. Solche Entrückungen kamen in der Folge noch zweimal vor, doch so, dass sie über Asien hinzuschweben schien. Ein andermal wurde ihr die Errettung von mehr als 800 vorher gebundenen Dämonen vorgestellt. Wie auf diese Weise die Erdbeben jener Zeit Bezug auf die hiesigen Kämpfe zu haben schienen, so auch Witterungen und anderes, was ich gleichfalls nicht verschweigen kann. Sowohl die Dürre des Jahres 1842, als die Nässe des Jahres 1843 kam zur Sprache. Am meisten aber entsetzte es mich, dass gar die vielen Städtebrände des Jahres 1842 (die Zahl wurde von den Dämonen auf 36 angegeben) dem Einfluss, ja der unmittelbaren Einwirkung der Dämonen zugeschrieben wurden. Namentlich kam einmal ein Dämon vor, der mit wollüstiger Gier die Flamme Hamburgs geschürt zu haben vorgab. Auf die Frage, was ihn dazu veranlasst hätte, kam einerseits die kurze Antwort: „Wollust!“, andererseits wurde angedeutet, dass der Satan, merkend, dass viele Werkzeuge der Zauberei ihm geraubt werden, darauf ausgegangen sei, um Werkzeuge zu werben, indem er Tausende ins Unglück stürzte, die sodann leicht dazu zu bewegen wären, sich ihm womöglich mit Blut zu verschreiben; „und“, hieß es einmal, „es ist ihm auch gelungen“. Schrecklich waren oft die Drohungen der Dämonen anzuhören, den ganzen Ort und vornehmlich mein Haus in Brand zu stecken. Öfters grinsten sie mir mit grässlicher Miene entgegen: „Blut oder Feuer!“ Wirklich war es auffallend, dass einmal in einer besonders schweren Kampfnacht die Schafherde durch einen unbekannten Hund, dessen der Schäfer nicht mächtig werden konnte, in große Angst und Verwirrung gebracht wurde, und am Morgen lagen zwei der größten Schafe zerrissen vor meinem Fenster. Ich berühre dies darum, weil es einmal hieß: „Blut! Und wenn’s nur ein Schaf ist.“ So viel auch schon im bisherigen Unbegreifliches und Unerhörtes erzählt worden ist, so habe ich doch das Ärgste noch vor mir. Ich bleibe bei meiner Ehrlichkeit und fahre fort mitzuteilen, was mir noch in Erinnerung ist, überzeugt, der Herr werde auch bei dieser Darstellung Seine Hand über mir haben. Ihm, dem Sieger über alle finsteren Kräfte zur Ehre alles zu erzählen, ist auch meine einzige Rücksicht.

Nägel im KopfMit dem 8. Februar 1843 begann eine neue Epoche in der Krankheitsgeschichte. Denn von jetzt an kamen noch entschiedenere Erscheinungen und Wirkungen der verschiedenartigsten Zauberei zu meiner Beobachtung. Schauerlich war es mir, wahrzunehmen, dass alles, was bisher unter den lächerlichsten Volksaberglauben gerechnet wurde, aus der Märchenwelt in die Wirklichkeit übertritt. Ich fasse zunächst alle Erscheinungen zusammen, die im Laufe des Jahres 1843 aus dem Gebiete der Zauberei vorgekommen sind. Es zeigte sich, dass unzählig viele Dinge in die G., um das allein anwendbare Wort gleich zu gebrauchen, hineingezaubert waren, die alle den Zweck zu haben schienen, sie aus der Welt zu schaffen. Es fing mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken an. Allmählich kamen allerlei Eisenstücke, namentlich alte und verbogene Bretternägel, deren einmal vor meinen Augen nach langem Würgen nacheinander zwölf in das vorgehaltene Waschbecken fielen, ferner Schuhschnallen von verschiedener Größe und Gestalt, oft so groß, dass man es kaum begriff, wie sie den Hals heraufkommen konnten, auch ein besonders großes und breites Eisenstück, bei welchem ihr der Atem ausging, dass sie mehrere Minuten wie tot dalag. Außerdem kamen in unzähligen Mengen Stecknadeln, Nähnadeln und Stücke von Stricknadeln, oft einzelne, da es am schwersten ging, oft auch in Massen, mit Papier und Federn zusammengebunden. Es hatte öfters das Ansehen, als ob Stricknadeln mitten durch den Kopf gezogen wären, von einem Ohr bis zum andern; und es kamen das eine Mal einzelne fingerlange Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte ich es unter der Handauflegung fühlen und hören, wie die Nadeln im Kopf zerbrachen oder sich drehten und zusammenbogen. Jenes waren stählerne Nadeln, die sodann langsam in kleineren Stücken sich gegen den Schlund hinspielten und zum Munde herauskamen; dieses eiserne, die sich biegen ließen und endlich, drei- bis viermal gebogen, doch ganz, ihren Ausweg gleichfalls durch den Mund fanden.

Nagel im Kopf und BrustAuch aus der Nase zog ich viele Stecknadeln hervor, die sich von oben herab, da ich sie über dem Nasenbein zuerst querliegend fühlte, allmählich, mit der Spitze abwärts gerichtet, herabspielten. Einmal kamen 15 solcher Nadeln auf einmal mit solcher Heftigkeit zur Nase heraus, dass sie sämtlich in der vorgehaltenen Hand der Gottliebin Dittus stecken blieben. Ein andermal klagte sie sehr über Kopfschmerz, und als ich die Hand aufgelegt hatte, sah ich überall weiße Punkte vorschimmern. Es waren 12 Stecknadeln, die bis zur Hälfte noch im Kopfe steckten und einzeln von mir herausgezogen wurden, wobei sie jedes Mal durch ein Zucken die Schmerzen kundgab. Aus dem Auge zog ich einmal zwei, dann wieder vier Stecknadeln heraus, die lange unter den Augenlidern umherspielten, bis sie ein wenig vorragten, um sachte herausgezogen zu werden. Nähnadeln zog ich ferner in großer Menge aus allen Teilen des oberen und unteren Kiefers hervor. Sie fühlte dabei zuerst unerhörte Zahnschmerzen, und man konnte lange nichts sehen, bis sich endlich die Spitzen anfühlen ließen. Darm rückten sie immer weiter hervor, und wenn ich sie endlich anfassen konnte, brauchte es noch großer Anstrengung, bis sie ganz herauskamen. Zwei alte fingerlange und verbogene Drahtstücke zeigten sich sogar in der Zunge, und es kostete Zeit und Mühe, bis sie völlig herausgenommen waren. Um den ganzen Leib ferner waren unter der Haut zwei lange, vielfach verbogene Drahtstücke eingewunden, und ich brauchte mit meiner Frau wohl eine Stunde dazu, bis sie ganz da waren, und mehr als einmal fiel sie dabei, wie dies überhaupt oft der Fall war, in Ohnmacht. Sonst kamen aus allen Teilen des Oberleibes ganze und halbe Stricknadeln so häufig zu verschiedenen Zeiten, dass ich im Ganzen wenigstens zu 30 schätzen darf. Sie kamen teils quer, teils senkrecht heraus, nach letzterer Art namentlich öfters mitten aus der Herzgrube. Wenn die Nadeln oft schon zur Hälfte da waren, hatte ich doch noch eine halbe Stunde mit aller Kraft zu ziehen. Auch andere Dinge, Nadeln verschiedener Art, große Glasstücke, Steinchen, einmal ein langes Eisenstück, kamen aus dem Oberleibe.

Gebet für Gottliebin DittusIch kann es wahrlich niemand übelnehmen, der misstrauisch gegen obige Mitteilungen wird; denn es geht zu sehr über alles Denken und Begreifen. Aber die fast ein ganzes Jahr hindurch fortgesetzten Beobachtungen und Erfahrungen, bei welchen ich immer mehrere Augenzeugen hatte, worauf ich, schon um üblen Gerüchten vorzubeugen, strenge hielt, lassen mich kühn und frei die Sachen erzählen, indem ich völlig versichert bin, was ich schon vermöge des Charakters der G. sein müsste, dass nicht der geringste Betrug obwaltet noch obwalten konnte. So oft ich sie in jener Zeit besuchte, gerufen oder ungerufen, regte sich wieder etwas; und nach einiger Zeit arbeitete sich ein Zauberstück aus irgendeinem Teile des Leibes hervor. Der Schmerz war jedes Mal fürchterlich, und fast immer so, dass sie mehr oder weniger die Besinnung verlor. Ja, in der Regel sagte sie: „Das mache ich nicht durch, das ist mein Tod!“ Alles aber wurde bloß durch das Gebet herausgebracht. Wenn sie zu klagen anfing, dass sie irgendwo Schmerzen fühle, so durfte ich nur die Hand, gewöhnlich dem Kopfe, auflegen; und, durch lange Erfahrung im Glauben geübt, war ich versichert, jedes Mal sogleich die Wirkung des Gebets, das ich mit kurzen Worten aussprach, zu erfahren. Sie fühlte auch alsbald, dass die Sache sich bewegte oder drehte und einen Ausweg suchte. Durch die äußere Haut ging es am schwersten, und man fühlte es oft lange, wie sich von innen heraus etwas vordrückte. Blut floss niemals; auch wurde keine Wunde verursacht, und höchstens konnte man noch eine Weile den Ort erkennen, von dem sich etwas herausgearbeitet hatte, sobald alles durch bloßes Gebet vor sich ging.

NatterBisweilen aber schnitt sie sich, vom Schmerze überwältigt, mit einem Messer ohne mein Beisein die Haut auf, und diese Wunden waren fast nicht mehr zu heilen. Der Gegenstände sind es zu viele, als dass ich sie alle aufzählen könnte; und ich erwähne nur noch das, dass auch lebendige Tiere, welche ich jedoch selbst zu sehen nicht Gelegenheit bekam, aus dem Munde kamen, einmal vier der größten Heuschrecken, die sodann noch lebendig auf die Wiese gebracht wurden, wo sie alsbald forthüpften, ein andermal 6-8 Fledermäuse, deren eine totgeschlagen wurde, während die andern sich schnell verkrochen, wieder einmal ein mächtig großer Frosch, der ihr durch eine Freundin aus dem Hals gezogen wurde, und endlich eine geheimnisvolle Schlange, eine Natter, wie es scheint, der gefährlichsten Art, die nur G., sonst niemand, flüchtig sah. (Doch glaubte ich einen rasch hinfahrenden blinkenden Schimmerstreifen vom Munde aus über das Bett hin wahrzunehmen.) Diese Natter verursachte ihr, nachdem sie aus dem Munde gekommen war, bald nachher eine Wunde an dem Hals, ein andermal stach sie sie, während sie mit der Familie zu Tische saß, so heftig in den Fuß, dass das Bluten fast nimmer aufhören wollte. Beide Wunden machten ihr wohl ein Vierteljahr lang Schmerzen, und es war deutlich zu sehen, dass es gefährliche Giftwunden waren.

Das Blut der Gottliebin DittusIch kann diese Seite des Kampfes nicht beschließen, ohne wenigstens einen Fall der schauderhaftesten Art spezieller zu erzählen. Zu Anfang Dezember 1843 hatte Gottliebin Dittus ein Nasenbluten, das gar nimmer aufhören wollte. Wenn sie eben eine Schüssel voll Blut verloren hatte, so fing’s wieder an; und es ist unbegreiflich, wie bei so ungeheurem Blutverluste das Leben erhalten werden konnte. Auffallend war, dass das Blut zugleich einen sehr scharfen Geruch hatte, aber immer besonders schwarz anzusehen war. Der Grund davon lag in der zauberischen Vergiftung, deren nachher gedacht werden wird. In dieser Not traf sie mehrmals der Arzt, der zwar etwas verschrieb, aber wohl selbst schwerlich viel Hoffnung von der Wirkung der Arznei hatte. Nun machte ich in jener Zeit nachmittags 1 Uhr auf einem Gang zum Filial, der mich an ihrem Hause vorbeiführte, einen kurzen Besuch bei ihr. Sie war frisch umgekleidet und sehr erschöpft auf einem Stuhle. Auch war die Stube eben vom Blut gereinigt worden, das den Morgen vorher reichlich geflossen war. Sie deutete mir auf dem Kopf mehrere Stellen und sagte, da stecke etwas; wenn das nicht herauskomme, so müsse sie sterben. Ich konnte eben nichts Besonderes fühlen, sagte aber, weil ich Eile hatte, nach meiner Rückkehr wolle ich wieder einkehren. Nach mir kam der Arzt, Dr. Spaeth, zu ihr, der 2 Stunden bei ihr verweilte und sich vieles erzählen ließ, auch wirklich etwas Hartes an obigen Stellen fühlen konnte. Er merkte, dass etwas vorgehen werde, und wollte es auswarten, wurde aber zuletzt schnell zu einer Niederkunft nach Simmozheim gerufen.

Gottliebin Dittus BlutattackeUm 4 Uhr befand ich mich wieder in der Nähe des Orts, da sprang mir jemand entgegen, ich möchte doch schnell zu G. kommen. Ich eilte, und überall sah ich voll Schrecken die Leute zum Fenster heraus sehen, die mir zuriefen: „Herr Pfarrer, es tut not!“ Ich trat ein; aber ein Blutdunst erstickender Art wollte mich wieder heraus treiben. Sie saß in der Mitte der kleinen Stube, hatte vor sich einen Kübel, der wohl zur Hälfte mit Blut und Wasser gefüllt war, und die ganze Länge der Stube vor ihr und hinter ihr floss eine breite Blutlache. Sie selbst war über und über mit Blut so überzogen, dass man die Kleider kaum mehr erkannte. Denn man denke sich – das Blut rieselte lebhaft aus beiden Ohren, aus beiden Augen, aus der Nase und sogar oben aus dem Kopfe in die Höhe. Das war das grässlichste, das ich je gesehen habe. Es hatten’s verschiedene Leute zum Fenster herein bemerkt, obgleich diese sich scheuten, dazubleiben. Im Augenblick wollte ich ratlos sein. Doch fasste ich mich; und ein kurzer und ernster Seufzer brachte vorerst das Bluten zum Stillstand. Dann ließ ich ihr das Gesicht waschen, das nicht mehr zu erkennen war, und den Kopf, worauf ich die Stelle am Kopfe anfühlte, in der sich etwas befinden sollte. Auf dem Vorderkopfe oberhalb der Stirn gewahrte ich bald etwas, und ein kleiner, aber verbogener Nagel bohrte sich empor. Am Hinterkopfe drehte und arbeitete sich innerhalb der Haut etwas weiter herab, und endlich kam ein verbogener Bretternagel zum Vorschein. Das Bluten aber hatte von nun an ein Ende. Die erste Ohnmacht, in die sie bei meinem Eintritt fiel, konnte auch überwunden werden, wie die nachfolgenden, und am Abende fühlte sie sich wieder ziemlich wohl und gestärkt. Was könnte ich nicht alles erzählen, wenn ich Zeit gehabt hätte, ein Tagebuch zu führen!

AtomUnter den vielen Kämpfen, die ich nach obigem zu bestehen hatte, machte ich mir allerlei Gedanken über die Art und Weise, wie die Zauberkräfte etwa angewendet werden, da es mir ein Bedürfnis war, wenigstens irgend etwas zur Erklärung mir denken zu können. Natürlich fiel mir dabei ein, dass in Beziehung auf das Wesen der Materie noch Geheimnisse obwalten, auf die die Philosophie mit Gewissheit noch nicht gekommen ist. Dachte ich mir die Materie als ein Aggregat einer Art von Atomen, wie sie von manchen Philosophen schon aufgefasst worden ist, so wäre (stelle ich mir vor), die Zauberkunst nichts anderes als eine geheimnisvolle, von der finstern Macht gelehrte Kunst, das Band der einzelnen Atome aufzulösen, um so den Gegenstand, mit dem sie ihr Wesen treibt, unkenntlich, ja unsichtbar zu machen und mittels anderer Gegenstände, z. B. in gewöhnlichem Essen, dahin zu bringen, da es nach dem Willen dessen, der die Kunst ausübt, kommen solle, wo sodann das gelöste Band wieder hergestellt wird und der Gegenstand wieder als das erscheint, was er vorher war.

Hexenkessel für EssenzauberSo konnte sich Gottliebin Dittus aus früherer Zeit gut erinnern, dass sie bisweilen auf das Essen einer Suppe oder anderer Speisen sogleich etwas Eigentümliches im Hals oder Leib gefühlt habe, das sie an eine Verzauberung denken ließ. Einmal warf sie Überbleibsel von einem solchen Essen einem Huhn vor, das augenblicklich rasend herumlief und nach einer Weile, wie erstickend, tot umsank. Sie öffnete Kopf und Hals des Huhnes, und da steckte zu ihrem Schrecken eine Menge Schuhnägel. Wie aber sollten andere Sachen in den Kopf und Leib, wie in den Oberleib kommen? Erklärend lauteten die Erzählungen der G., wie sie bei Nacht öfters habe Personen aller Arten und Stände im Geist zu sich ans Bett kommen sehen. Diese hätten ihr, während sie dabei immer bewegungslos gewesen sei, entweder etwas wie Brot in den Mund gereicht oder andere Glieder ihres Leibes berührt; und alsbald habe sie Veränderungen in sich gefühlt, die sich zu den später hervorkommenden Gegenständen reimten. Jener Bretternagel und der kleinere Nagel, wodurch das heftige Bluten verursacht wurde, wurden ihr abends mitten auf der Straße von jemandem, der einen geistlichen Ornat trug und da wartete, jedoch nur scheinbar, d. h. im Geiste da war, wie sie glaubte, durch eine besondere Manipulation in den Kopf geschafft, wobei sie nicht den geringsten Widerstand leisten konnte; und alsobald fing das Bluten an. Einmal traten des Nachts auf gleiche Weise, d. h. als Geister, drei Männer vor sie, die einen giftigen Spiritus in der Hand hielten. Sie konnte sich abermals nicht bewegen. Der eine öffnete ihren Mund, der andere hielt sie am Kopf, und der dritte wollte ihr den Spiritus eingießen. Letzteres geschah ein wenig, und um sie zu ersticken, wurde ihr nun wieder der Kiefer zusammengedrückt. Der Dampf des Spiritus ging aber durch die Nase heraus; und sie, die wenigstens imstande war, noch zu seufzen, blieb gerettet. Als die Männer merkten, dass sie nichts ausrichteten, schütteten sie das Glas über den Kopf hin und entfernten sich.

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